Klare Kante gegen menschenfeindliche Positionen
Amnesty International fordert, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen struktureller Diskriminierung als solche zu benennen und ihnen klar entgegen zu treten. Diskurse, die vor einer „Überfremdung“ warnen oder andere Ideologien der Ungleichheit beinhalten, nähren das zugrundeliegende Gedankengerüst von Hasskriminalität. Insbesondere staatliche Akteur*innen stehen in der Verantwortung, Hass und Hetze nicht selbst zu befeuern und entmenschlichende Äußerungen nicht stehen zu lassen. Die Regierenden sind gefragt, um systemische Diskriminierungen in Recht und Praxis anzugehen. Bei der Erarbeitung konkreter Maßnahmen muss die Perspektive von Betroffenen und Selbstorganisationen eine zentrale Rolle spielen.
Schritte zu einer rechtsstaatlichen Polizei, die alle Menschen schützt:
Die Sicherheitsbehörden sind so zu qualifizieren und umzugestalten, dass sie ihrer Verantwortung als Schutzwall gegen rassistische, antisemitische und weitere menschenfeindliche Gewalt gerecht werden. Ziel muss eine Polizei sein, die sich durch Transparenz und eine rechtsstaatliche Handhabung polizeilicher Befugnisse und ihrer Grenzen auszeichnet.
- Vorgehen gegen Racial Profiling (diskriminierende Polizeikontrollen): Verdachtsunabhängige Kontrollmöglichkeiten wie in § 12 Abs. 1 Nr. 2 – 6 BbgPolG sind ein Einfallstor für Racial Profiling. Diese Rechtsgrundlagen sind abzuschaffen.
- Verpflichtende Antidiskriminierungstrainings: Sie sind als Bestandteil der Polizeiausbildung und als Teil regelmäßiger Fortbildungen fest zu verankern. Dadurch wird gewährleistet, dass die gesamte Polizei die nötigen Kenntnisse hat, um Hasskriminalität zu erkennen, sie effektiv aufzuklären und Betroffene professionell zu begleiten.
- Einsatz von Tasern: Eine ärztliche und forensische Untersuchung „getaserter“ Personen nach einheitlichen Standards muss für alle Einsatzfälle obligatorisch sein. Alle Tasereinsätze und ihre Folgen müssen dokumentiert und veröffentlicht werden. Der Einsatz des Tasers ist nur dann verhältnismäßig, wenn anderenfalls der Einsatz tödlicher Gewalt notwendig wäre. Durch die Landesregierung ist regelmäßig neu zu bewerten, ob durch den Taser wirksame operative Vorteile erzielt werden, die etwaige Risiken überwiegen.
Recht auf Protest
- Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit muss als Kernelemente gelebter Demokratie geachtet und geschützt werden. Von Aussagen, die friedlichen Protest kriminalisieren oder diffamieren, muss abgesehen werden.
- Polizeiliche Kontroll- und Eingriffsbefugnisse im Rahmen von Demonstrationen dürfen nicht ausgeweitet werden und von ihnen darf nur unter strenger Achtung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsprinzips Gebrauch gemacht werden.
- Polizeiliche Schmerzgriffe dürfen nicht zu Abschreckungszwecken gegen friedliche Protestierende eingesetzt werden.
- Auch Überwachungstechnologie darf nicht zu Abschreckungszwecken bei Demonstrationen zum Einsatz kommen.
- Demonstrationen dürfen nicht pauschal verboten werden. Vor der Aussprache von Versammlungsverbote als ultima ratio bedarf es immer einer sorgfältigen und umfassenden Prüfung etwaiger milderer Mittel.
- Vor allem darf es nicht zum pauschalen Ausschluss bestimmter Gruppen vom Versammlungsrecht kommen. Das Recht auf Nichtdiskriminierung muss gewahrt werden.
- Journalist*innen müssen im Rahmen von Versammlungen vor Angriffen geschützt werden, um die Pressefreiheit zu gewährleisten.
Flüchtlingsschutz
- Diskriminierungssensibler Diskurs: Mit Sorge beobachtet Amnesty International die wachsende Ablehnung von Flüchtlingen und auch von anderen Migrant*innen in der Bevölkerung und die Zunahme von Gewalttaten gegen Menschen und Flüchtlingsunterkünfte. Hier tragen auch Politiker*innen eine große Verantwortung. Bei allem Verständnis für das Bedürfnis nach Sicherheit und die schwierige Situation in den Kommunen durch die gestiegene Zahl von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern sollten diese nicht einseitig als Belastung oder gar als Gefahr dargestellt werden. Bei der Suche nach Lösungen dürfen die Rechte der Flüchtlinge nicht aus den Augen verloren werden.
- Abschiebungen: Ein wichtiges Anliegen von Amnesty International ist der Schutz vor Abschiebungen in Länder oder Gebiete, in denen Menschenrechtsverletzungen drohen. Für einige Länder fordert Amnesty International daher generelle Abschiebungsstopps, weil die Menschenrechtssituation dort so schlecht ist, dass davon jede*r Rückkehrer*in betroffen sein kann. Dazu gehören der Iran, der Sudan, Syrien und Angehörige der Minderheit der Pamiri aus Tadschikistan. Mit Blick auf den Genozid an den Jesiden, ihre infolge dessen weiterhin prekäre Situation und die fortbestehende Diskriminierung ist Amnesty International auch gegen eine Abschiebung von Jesid*innen in den Irak. Wo ein allgemeiner Abschiebungsstopp nicht möglich ist, sollten die kommunalen Ausländerbehörden angewiesen werden, wenn irgend möglich nach anderen Lösungen zu suchen.
- Einreisewege: Ein weiteres Anliegen von Amnesty International ist die Schaffung sicherer Einreisewege für gefährdete Menschen. Hier begrüßt Amnesty International die bestehenden Aufnahmeprogramme des Landes Brandenburg. Wir bedauern die Nichtverlängerung des Aufnahmeprogramms für syrische Staatsangehörige mit Angehörigen in Brandenburg. In der kommenden Legislaturperiode sollte eine konsequente Umsetzung und Ausweitung von Aufnahmeprogrammen angegangen werden.
LGBTI+
Schutz vor vorurteilsmotivierter Gewalt an LGBTI+, sogenannter Hassgewalt, verbessern
Der jährliche Bericht von ILGA Europa attestiert Deutschland auch für das Jahr 2023 ein ernstes Problem mit Hassverbrechen gegenüber LGBTI+, wobei die große Mehrheit nicht gemeldet wurde. Der Schutz vor Gewalt gegenüber LGBTI+ muss gewährleistet werden, dazu gehört:
- sicherzustellen, dass alle Antidiskriminierungsgesetze ausdrücklich das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks, der sexuellen Orientierung und Geschlechtsmerkmale enthalten.
- sicherzustellen, dass die Gesetzgebung zu vorurteilsmotivierte Verbrechen (Hassverbrechen) homo-, trans- und queerfeindliche Verbrechen als Hassverbrechen einschließen.
- sicherzustellen, dass staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen, die die Menschenrechte von LGBTI+ verletzen, zur Rechenschaft gezogen werden und dass die Opfer solcher Verletzungen in der Lage sind, angemessene Wiedergutmachung zu verlangen.
- den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen sicherstellen, die sich für die Menschenrechte von LGBTI+ einsetzen.
- sicherzustellen, dass Strafverfolgungs-, Asyl- und andere Fachkräfte angemessen geschult sind, damit LGBTI+ respektvoll, informiert und sensibel behandelt werden.
Recht auf das höchste erreichbare Maß an Gesundheit
LGBTI+ in Deutschland erfahren Diskriminierungen in viele Lebensbereichen (44 % der befragten LGBTI+ in der FRA-Studie 2019). Dazu gehören auch diskriminierende Erfahrungen in Einrichtungen des Gesundheitswesens. LGBTI+ müssen vor Diskriminierungen geschützt werden, um ihr Recht auf das höchste erreichbare Maß an Gesundheit zu gewährleisten.
Dazu gehört:
- sicherzustellen, dass jegliche medizinische oder psychologische Behandlung oder Beratung die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung nicht als einen Zustand behandelt, der geheilt oder unterdrückt werden muss.
- die Schaffung von Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen zu Variationen der Geschlechtsmerkmale (Intergeschlechtlichkeit) für medizinische Fachkräfte.
- sicherzustellen, dass medizinisches Personal angemessen darin geschult wird, die Würde insbesondere von trans Personen sowie ihre spezifischen Bedürfnisse und Entscheidungen in Bezug auf die Gesundheitsversorgung zu achten und zu respektieren.
- die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Strategien und Mechanismen, um die bestmögliche Gesundheitsversorgung für Betroffene von intersektioneller Diskriminierung zu erreichen und zu gewährleisten.
- Sicherzustellen, dass Kinder mit Variationen der Geschlechtsmerkmale, ihre Familien sowie operierte Personen einen Zugang zu psychologischer Langzeitunterstützung erhalten.
- sicherzustellen, dass LGBTI+ in Haft und Asylverfahren Zugang zum höchstmöglichen Standard der Gesundheitsversorgung haben.
Bildung
- Recht auf Bildung sichern: Art. 26 Abs. 1 der AEMR beinhaltet das Recht auf Bildung für jeden Menschen. Ergänzt wird dieses unter anderem durch Art. 28 der UN-Kinderrechtskonvention mit einer Betonung auf Chancengleichheit und Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention mit einem Fokus auf die Ermöglichung integrativer und barrierefreier Bildungsangebote. Zudem fordert Art. 22 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention die gleichen Chancen und Zugänge zu Bildung und Unterricht für Geflüchtete, wie sie Staatsangehörige genießen. Bildung ist eine wichtige Voraussetzung für die aktive politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft. Ein umfassendes Recht auf Bildung beinhaltet einen diskriminierungsfreien und fairen Zugang zu Bildungseinrichtungen und -angeboten. Dies wird auch mit Art. 29 Abs.1 und Abs. 3 BgbVerf versichert und in Art. 3Abs. 2 BgbSchulG präzisiert. Auch in Zukunft müssen solche Zugänge garantiert werden. Auch Angehörige strukturell benachteiligter oder marginalisierter Gruppen sollen ihren Fähigkeiten entsprechend höhere Studien offenstehen. Von einer künftigen Landesregierung ist daher zu erwarten, dass sie auch die in Art. 10 Abs. BgbHG garantierte Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise zum Hochschulzugang sowie die in Art. 3 Abs. 6 BgbHG garantierten Möglichkeiten eines inklusiven und barrierefreien Studiums in Brandenburg nicht nur gewährt, sondern auch fördert. All diese Rechte dürfen nicht geschwächt werden, sondern müssen auch nach den Wahlen weiterhin geschützt, gewahrt und gefestigt werden.
- Menschenrechte als Querschnittthema wahren: Politische Bildung und Demokratiebildung sind elementar für den Erhalt einer demokratischen Gesellschaft. Nur Menschen, die ihre Rechte kennen, können sich für deren Wahrung einsetzen und Rechtsverletzungen an sich selbst sowie ihren Mitmenschen erkennen. Artikel 26 Abs. 2 der AEMR fordert in diesem Sinne, dass die Ausbildung die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziel haben soll. Neben einer Verankerung der Menschenrechte in den Lehrplänen gehört dazu auch eine umfassende Vermittlung zwischen der internationalen Ebene, auf welcher Menschenrechte formuliert werden, und den einzelnen Träger*innen dieser Rechte. Einerseits sollten dazu Menschenrechte als Querschnittsthema verstanden werden, dass alle Lebenslagen und -situationen betreffen kann und eben deswegen unabhängig der Schulform hinaus behandelt werden kann. Dementsprechend begrüßen wir die Festsetzung des Themas Menschenrechte in den fächerübergreifenden Kompetenzentwicklungen, sowie die Verankerung dieses Themas in den Lehrplänen auch über die sozialen Fächer hinaus. Zur Umsetzung dieses Ziels sollten Bildungseinrichtungen nicht auf sich allein gestellt sein, sondern zur Nutzung externer Expertisen im Bereich der politischen Bildung und Menschenrechtsbildung ermutigt werden. Auch hier ist eine künftige Landesregierung gefragt, bestehende Programme zu schulischen Kooperationen mit politischen Bildungsvereinen, Demokratieförderungsvereinen und Vereinen die Menschenrechtsbildung anbieten, zu unterstützen und zu sichern.
- Wissenschaftsfreiheit garantieren: Mit Art. 31 Abs. 1 BgbVerf wird die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre garantiert und ergänzend in Art. 4 BgbHG die Freiheit der Hochschulen in Forschung und Lehre definiert. Dies sind wichtige Rechtsgüter, welche ebenfalls in Art 15. Abs. 3 ICESCR der UN sowie Art. 5 Abs. 3 GG garantiert werden. Eine freie Wissenschaft fördert den Pluralismus von Meinungen und gibt zukunftsgerichteten Demokratien Rückhalt. Dies beinhaltet den Schutz vor willkürlichen staatlichen Eingriffen in die Freiheit der Forschung. Auch in Zukunft dürfen daher Wissenschaftler*innen und Forschungseinrichtungen nicht unter Vorwürfen der „Ideologie“, „Political Correctness“ oder sonstigen Vorwänden an wissenschaftlicher Rede, Forschung und Publikation gehindert werden. Besonders Forschungszweige, die sich der Wahrung der Menschenrechte verschreiben, wie Postcolonial Studies, Disability Studies, Queer Studies oder Gender Studies werden in den letzten Jahren zunehmend diskreditiert und bedroht. Hier benötigt es einen Schutz durch die Politik und die Garantie, dass auch mit einer neuen Landesregierung in diesen Bereichen die Wissenschaftsfreiheit gewahrt bleibt.