Klare Kante gegen menschenfeindliche Positionen
Amnesty International fordert, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen struktureller Diskriminierung als solche zu benennen und ihnen klar entgegen zu treten. Diskurse, die vor einer „Überfremdung“ warnen oder andere Ideologien der Ungleichheit beinhalten, nähren das zugrundeliegende Gedankenerüst von Hasskriminalität. Insbesondere staatliche Akteur*innen stehen in der Verantwortung, Hass und Hetze nicht selbst zu befeuern und entmenschlichende Äußerungen nicht stehen zu lassen. Die Regierenden sind gefragt, um systemische Diskriminierungen in Recht und Praxis anzugehen. Bei der Erarbeitung konkreter Maßnahmen muss die Perspektive von Betroffenen und Selbstorganisationen eine zentrale Rolle spielen.
Schritte zu einer rechtsstaatlichen Polizei, die alle Menschen schützt:
- Die Sicherheitsbehörden sind so zu qualifizieren und umzugestalten, dass sie ihrer Verantwortung als Schutzwall gegen rassistische, antisemitische und weitere menschenfeindliche Gewalt gerecht werden. Ziel muss eine Polizei sein, die sich durch Transparenz und eine rechtsstaatliche Handhabung polizeilicher Befugnisse und ihrer Grenzen auszeichnet.
- Unabhängige Untersuchungsmechanismen: Solche Mechanismen für Vorwürfe von rechtswidrigem Polizeihandeln müssen zum einen unabhängig von den Innenbehörden agieren können und diesen nicht unterstehen. Die Vertrauensstelle der Polizei Thüringen erfüllt dieses Kriterium nicht. Zum anderen müssen sie eigene Ermittlungsbefugnisse haben, mithilfe derer sie Sachverhalte unabhängig von der polizeilichen Ermittlung aufklären können.
- Vorgehen gegen Racial Profiling (diskriminierende Polizeikontrollen): Verdachtsunabhängige Kontrollmöglichkeiten wie in § 14 Abs. 1 Nr. 2 – 6 PAG Thüringen sind ein Einfallstor für Racial Profiling. Diese Rechtsgrundlagen sind abzuschaffen.
- Kennzeichnungspflicht: Eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte ist eine rechtstaatliche Selbstverständlichkeit. Die Kennzeichnungspflicht in Thüringen muss gesetzlich verankert werden und alle Beamt*innen in Uniform umfassen. Sie kann anonymisiert durch Zahlenkombinationen gestaltet werden.
Recht auf Protest
- Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit muss als Kernelement gelebter Demokratie geachtet und geschützt werden. Von Aussagen, die friedlichen Protest kriminalisieren oder diffamieren, muss abgesehen werden.
- Polizeiliche Kontroll- und Eingriffsbefugnisse im Rahmen von Demonstrationen dürfen nicht ausgeweitet werden und von ihnen darf nur unter strenger Achtung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsprinzips Gebrauch gemacht werden.
- Polizeiliche Schmerzgriffe dürfen nicht zu Abschreckungszwecken gegen friedliche Protestierende eingesetzt werden.
- Auch Überwachungstechnologie darf nicht zu Abschreckungszwecken bei Demonstrationen zum Einsatz kommen.
- Demonstrationen dürfen nicht pauschal verboten werden. Vor der Aussprache von Versammlungsverboten als ultima ratio bedarf es immer einer sorgfältigen und umfassenden Prüfung etwaiger milderer Mittel.
- Vor allem darf es nicht zum pauschalen Ausschluss bestimmter Gruppen vom Versammlungsrecht kommen. Das Recht auf Nichtdiskriminierung muss gewahrt werden.
- Journalist*innen müssen im Rahmen von Versammlungen vor Angriffen geschützt werden, um die Pressefreiheit zu gewährleisten.
Flüchtlingsschutz
Amnesty International Deutschland beobachtet mit Sorge, wie sich die asylpolitische Diskussion weiter verschärft. Dazu gehört auch die Forderung der Ministerpräsidenten der Länder, Asylverfahren künftig in Drittstaaten durchzuführen und Leistungskürzungen für Asylsuchende zu fordern, sowie die Einführung einer Bezahlkarte. Amnesty International sieht auch die geplante neue Regelung im Entwurf des neuen CDU-Grundsatzprogrammes, wonach Asylsuchende in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen sollen und im Falle eines positiven Ausgangs der sichere Drittstaat dem Schutzsuchenden Schutz vor Ort gewähren soll als kritisch und warnt ausdrücklich vor dem Beschluss dieser Grundposition.
im Jahr 2023 nahmen die Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte stark zu. Alleine von Januar bis September registriert die Polizei deutschlandweit mehr als 1400 Angriffe auf Flüchtlinge und 112 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Mehrzahl der Angriffe wurde mutmaßlich von rechtsextremen Täter*innen verübt. Klar ist: Hass und Hetze ebnen den Weg für Gewalt.
- Amnesty fordert eindringlich einen diskriminierungssensiblen Dialog aufrechtzuerhalten und Migration nicht als Gefahr darzustellen. Wir fordern eine konsequente Verfolgung rassistischer Straftaten, Schutzkonzepte für Flüchtlingsunterkünfte sowie ein klares Bekenntnis zum Recht auf Asyl.
- Die Landkreise Saale-Orla und Schmalkalden-Meinigen haben eine Arbeitspflicht von 2 bis 4 Stunden pro Tag an bis zu 5 Tagen pro Woche für alle erwerbsfähigen Asylsuchenden eingeführt. Grundlage für diese Verpflichtung sind § 5 Abs. 1 und 2 Asylbewerberleistungsgesetz. Asylsuchende erhalten eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 80 Cent pro Stunde. Asylsuchende, die sich weigern, entsprechende Arbeiten zu verrichten sollen eine Kürzung ihren regulären Leistungen von bis zu 200 Euro erhalten. Die der Arbeitspflicht zugrundeliegenden Annahmen sind rassistisch, denn es wird suggeriert, Asylsuchende würden nicht arbeiten wollen (angebliche „Einwanderung in die Sozialsysteme“) und ihre Arbeitsleistung sei im Wesentlichen wertlos (80 Cent pro Stunde wert). Das Gegenteil ist der Fall: Die allermeisten Asylsuchenden möchten gerne arbeiten, viele dürfen es allerdings nicht.
- Darüber hinaus hat Amnesty International erhebliche rechtliche Bedenken bezüglich einer sanktionsbewährte Arbeitspflicht von 4 Stunden pro Tag an 5 Tagen pro Woche. Eine derartige Arbeitspflicht entspricht im Wesentlichen einer Tätigkeit auf einer halben Stelle – ein erheblicher Arbeitsumfang. Gem. Art.15 Abs.1 Asylverfahrensrichtlinie müssen EU-Mitgliedstaaten Asylsuchenden nach 9 Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren (zukünftig sogar bereits nach 6 Monaten). Eine Arbeitspflicht von 4 Stunden am Tag erschwert den Zugang zum tatsächlichen Arbeitsmarkt und bindet Asylsuchende in prekärer Arbeit, anstatt beispielsweise durch Intensivsprachkurse einen Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt zu erleichtern. Zudem könnte eine sanktionsbewährte Arbeitspflicht von 4 Stunden am Tag für 5 Tage die Woche einen Verstoß gegen das Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit, verstoßen, da es sich um eine Arbeit ohne freiwilliges Angebot unter Androhung einer Strafe handelt (Art. 2 Abs.1 des Übereinkommens über Zwangs- oder Pflichtarbeit). Es besteht Grund zu der Annahme, dass eine Arbeitspflicht in diesem Umfang nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens fällt (4 Stunden pro Tag sind eine halbe Stelle und damit keine „kleinere(n) Gemeindearbeiten, die unmittelbar dem Wohle der Gemeinschaft dienen, durch ihre Mitglieder ausgeführt werden und daher zu den üblichen Bürgerpflichten der Mitglieder der Gemeinschaft gerechnet werden können“)
- Die Forderung nach einer Arbeitspflicht bei gleichzeitig bestehenden Arbeitsverboten ist rechtlich zweifelhaft und zudem widersinnig. Asylsuchende sollten das Recht auf Arbeit erhalten, anstatt zur Arbeit gezwungen zu werden. Die Bundesregierung sollte wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, entsprechende Arbeitsverbote abschaffen. Zusätzlich müsste die Anerkennung von Abschlüssen vereinfacht und der Zugang zu Sprachkursen verbessert werden.
- Immer wieder zeigt es sich, dass die Kommunen nicht ausreichend Stellen bzw. nicht sämtliche Planstellen in den Ausländerämtern besetzt haben. Dies führt dazu, dass Flüchtlinge Dokumente mit Aufenthaltserlaubnissen erst nach langer Zeit erhalten. Flüchtlingen wird teilweise eine sogenannte Fiktionsbescheinigung ausgestellt. Mit dieser ist es aber schwer bspw. gegenüber Vermieter*innen nachzuweisen, dass man sich rechtmäßig in Deutschland aufhält. Wir regen an, Lösungen zur Entlastung von Kommunen zu verfolgen.
- Wir begrüßen, dass Thüringen die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für syrische und afghanische Flüchtlinge, die eine Aufnahme durch ihre in Thüringen lebenden Verwandten – Anordnung des Thüringer Innenministeriums nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 10. September 2013 beantragen, bis 31.12.2024 verlängert hat. Wir fordern, dass die Aufnahme auch über den 31.12 2024 verlängert wird, sofern nicht die Verfolgung von Menschen in Syrien und Afghanistan aufhört. Weiter fordern wir, dass wieder eine entsprechende Regelung für Flüchtlinge aus Afghanistan in Thüringen eingeführt wird. Sie galt bis 31.12.2023.
- Die thüringische Landesregierung sollte von Abschiebungen nach Venezuela, Sudan und Afghanistan und den Iran absehen und sich bei der nächsten IMK für entsprechende umfassende und formelle Abschiebungsstopps einsetzen. Selbiges gilt für Pamiri und Menschen aus GBAO und etwaige Abschiebungen nach Taschikistan.
- Bezahlkarte: Amnesty International ist besorgt, dass mit Einführung der Bezahlkarte es zu weiteren Einschränkungen beim Zugang zu Sozialleistungen für Asylsuchende kommen könnte. Bei der Umsetzung der Neuregelungen des Asylbewerberleistungsgesetz zur Einführung einer Bezahlkarte müssen die Landesregierungen sicherstellen, dass die Karte nicht zu Verschlechterungen im Zusammenhang mit dem Recht auf soziale Sicherheit führt, wie bspw. zu de-facto Leistungskürzungen und/oder sogar einen vollständigen Leistungsausschluss. Mehrere UN-Ausschüsse haben bereits erhebliche Bedenken gegen das deutsche Asylbewerberleistungsgesetz geäußert.
- Auslagerung von Asylverfahren: Die allermeisten Schutzsuchenden weltweit leben nicht in Europa, sondern in Ländern des globalen Südens. Knapp Dreiviertel aller Schutzsuchenden weltweit befinden sich in ihren jeweiligen Nachbarländern. Dennoch diskutieren gerade Länder des globalen Nordens, wie Dänemark, Australien oder Großbritannien wie sie die Verantwortung für Schutzsuchende an Länder des globalen Südens, oft sogar an ehemalige Kolonien, auslagern können. Auch in Deutschland wurden in den letzten Monaten Stimmen laut, die eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten fordern. Auch die Ampelregierung prüft nach einem entsprechenden Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz im November 2023, inwiefern eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten möglich sein könnte. Bei der nächsten Ministerpräsident*innenkonferenz sollte sich die Thüringer Landesregierung für einen Beschluss einsetzen, der sich klar zur historischen Verantwortung Deutschlands im Flüchtlingsschutz bekennt und die Idee der Auslagerung von Asylverfahren als weder rechtlich noch praktisch machbar verurteilt. Anstatt Verantwortung an Drittstaaten auszulagern, sollten Deutschland und die weiteren europäischen Mitgliedstaaten allen Personen, die in Europa Asyl beantragen, Zugang zu fairen Asylverfahren in Europa ermöglichen und denjenigen internationalen Schutz gewähren, die ihn benötigen.
LGBTI+
Schutz vor vorurteilsmotivierter Gewalt an LGBTI+, sogenannter Hassgewalt, verbessern
Der jährliche Bericht von ILGA Europa attestiert Deutschland auch für das Jahr 2023 ein ernstes Problem mit Hassverbrechen gegenüber LGBTI+, wobei die große Mehrheit nicht gemeldet wurde. Der Schutz vor Gewalt gegenüber LGBTI+ muss gewährleistet werden, dazu gehört:
- sicherzustellen, dass alle Antidiskriminierungsgesetze ausdrücklich das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks, der sexuellen Orientierung und Geschlechtsmerkmale enthalten.
- sicherzustellen, dass die Gesetzgebung zu vorurteilsmotivierte Verbrechen (Hassverbrechen) homo-, trans- und queerfeindliche Verbrechen als Hassverbrechen einschließen.
- sicherzustellen, dass staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen, die die Menschenrechte von LGBTI+ verletzen, zur Rechenschaft gezogen werden und dass die Opfer solcher Verletzungen in der Lage sind, angemessene Wiedergutmachung zu verlangen.
- den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen sicherstellen, die sich für die Menschenrechte von LGBTI+ einsetzen.
- sicherzustellen, dass Strafverfolgungs-, Asyl- und andere Fachkräfte angemessen geschult sind, damit LGBTI+ respektvoll, informiert und sensibel behandelt werden.
Recht auf das höchste erreichbare Maß an Gesundheit
LGBTI+ in Deutschland erfahren Diskriminierungen in viele Lebensbereichen (44 % der befragten LGBTI+ in der FRA-Studie 2019). Dazu gehören auch diskriminierende Erfahrungen in Einrichtungen des Gesundheitswesens. LGBTI+ müssen vor Diskriminierungen geschützt werden, um ihr Recht auf das höchste erreichbare Maß an Gesundheit zu gewährleisten.
Dazu gehört:
- sicherzustellen, dass jegliche medizinische oder psychologische Behandlung oder Beratung die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung nicht als einen Zustand behandelt, der geheilt oder unterdrückt werden muss.
- die Schaffung von Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen zu Variationen der Geschlechtsmerkmale (Intergeschlechtlichkeit) für medizinische Fachkräfte.
- sicherzustellen, dass medizinisches Personal angemessen darin geschult wird, die Würde insbesondere von trans Personen sowie ihre spezifischen Bedürfnisse und Entscheidungen in Bezug auf die Gesundheitsversorgung zu achten und zu respektieren.
- die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Strategien und Mechanismen, um die bestmögliche Gesundheitsversorgung für Betroffene von intersektioneller Diskriminierung zu erreichen und zu gewährleisten.
- Sicherzustellen, dass Kinder mit Variationen der Geschlechtsmerkmale, ihre Familien sowie operierte Personen einen Zugang zu psychologischer Langzeitunterstützung erhalten.
- sicherzustellen, dass LGBTI+ in Haft und Asylverfahren Zugang zum höchstmöglichen Standard der Gesundheitsversorgung haben.
Bildung
- Recht auf Bildung sichern: Art. 26 Abs. 1 der AEMR beinhaltet das Recht auf Bildung für jeden Menschen. Ergänzt wird dieses unter anderem durch Art. 28 der UN-Kinderrechtskonvention mit einer Betonung auf Chancengleichheit und Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention mit einem Fokus auf die Ermöglichung integrativer und barrierefreier Bildungsangebote. Zudem fordert Art. 22 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention die gleichen Chancen und Zugänge zu Bildung und Unterricht für Geflüchtete, wie sie Staatsangehörige genießen. Bildung ist eine wichtige Voraussetzung für die aktive politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft. Ein umfassendes Recht auf Bildung beinhaltet einen diskriminierungsfreien und fairen Zugang zu Bildungseinrichtungen und -angeboten. Dies wird auch mit Art. 20 Abs. 1ThürVerfversichert und in Art. 1 ThürSchulG präzisiert. Darunter zählt auch, dass Angehörigen strukturell benachteiligter oder marginalisierter Gruppen ihren Fähigkeiten entsprechend höhere Studien offenstehen. Von einer künftigen Landesregierung ist daher zu erwarten, dass sie auch die in Art. 5 Abs. 7 ThürHG garantierte Gleichberechtigung zu Studium und Forschung wahrt. Ebenso sind die in Artikel 48 Abs. 3 ThürHG garantierten Möglichkeiten eines inklusiven und barrierefreien Studiums nicht nur zu gewähren, sondern auch zu fördern. All diese Rechte dürfen nicht geschwächt werden, sondern müssen auch nach den Wahlen weiterhin geschützt, gewahrt und gefördert werden. Auch in Zukunft müssen in Thüringen Zugänge zu Bildung für alle garantiert werden.
- Menschenrechte als Querschnittthema wahren: Politische Bildung und Demokratiebildung sind elementar für den Erhalt einer demokratischen Gesellschaft. Nur Menschen, die ihre Rechte kennen, können sich für deren Wahrung einsetzen und Rechtsverletzungen an sich selbst sowie ihren Mitmenschen erkennen. Artikel 26 Abs. 2 der AEMR fordert in diesem Sinne, dass die Ausbildung die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziel haben soll. Ähnlich fordert auch Art. 2 ThürSchulG, dass Schulen zur Achtung vor dem menschlichen Leben, zur Verantwortung für die Gemeinschaft sowie zu Verantwortungsgefühl für alle Menschen erziehen sollen. Neben einer Verankerung der Menschenrechte in den Lehrplänen gehört dazu auch eine umfassende Vermittlung zwischen der internationalen Ebene, auf welcher Menschenrechte formuliert werden, und den einzelnen Träger*innen dieser Rechte. Einerseits sollten dazu Menschenrechte als Querschnittsthema verstanden werden, dass alle Lebenslagen und -situationen betreffen kann und eben deswegen unabhängig der Schulform behandelt werden sollte. In diesem Zusammenhang befürworten wir die Berücksichtigung der Menschenrechte im Lehrplan für Ethik an Grundschulen. Als ein solch umfassendes Thema sollten Menschenrechte jedoch auch über die Grenzen der sozialen Schulfächer hinaus Einzug halten können. In den Lehrplänen zu Englisch oder Geografie könnte beispielsweise Raum für menschenrechtliche Aspekte geboten werden. Bei diesen Aufgaben sollten Bildungseinrichtungen nicht auf sich allein gestellt sein, sondern zur Nutzung externer Expertisen im Bereich der politischen Bildung und Menschenrechtsbildung ermutigt werden. Auch hier ist eine künftige Landesregierung gefragt, bestehende Programme zu schulischen Kooperationen mit politischen Bildungsvereinen, Demokratieförderungsvereinen und Vereinen die Menschenrechtsbildung anbieten, zu unterstützen und zu sichern.
- Wissenschaftsfreiheit garantieren: Mit Art. 27 Abs. 1 ThürVerf wird die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre garantiert und ergänzend in Art. 8 ThürHG die Freiheit der Hochschulen in Forschung und Lehre definiert. Dies sind wichtige Rechtsgüter, welche ebenfalls in Art 15. Abs. 3 ICESCR der UN sowie Art. 5 Abs. 3 GG garantiert werden. Eine freie Wissenschaft fördert den Pluralismus von Meinungen und gibt zukunftsgerichteten Demokratien Rückhalt. Dies beinhaltet den Schutz vor willkürlichen staatlichen Eingriffen in die Freiheit der Forschung. Auch in Zukunft dürfen daher Wissenschaftler*innen und Forschungseinrichtungen nicht unter Vorwürfen der „Ideologie“, „Political Correctness“ oder sonstigen Vorwänden an wissenschaftlicher Rede, Forschung und Publikation gehindert werden. Besonders Forschungszweige, die sich der Wahrung der Menschenrechte verschreiben, wie Postcolonial Studies, Disability Studies, Queer Studies oder Gender Studies werden in den letzten Jahren zunehmend diskreditiert und bedroht. Hier benötigt es einen Schutz durch die Politik und die Garantie, dass auch mit einer neuen Landesregierung in diesen Bereichen die Wissenschaftsfreiheit gewahrt bleibt.